Liebe Freund_innen und Genoss_innen
Nach dem Sturz von Assad schreibt Cenî, das kurdische Frauenbüro für den Frieden: «Für viele Syrer:innen, die unter dem seit über 50 Jahren bestehenden Baath-Regime gefoltert wurden und fliehen mussten, und auch für viele Kurd:innen aus Rojava/Nordsyrien, die unter dem Regime Unterdrückung und staatliche Gewalt erlebten, ist das ein Grund zu feiern. Doch die Freude über Assads Niedergang darf nicht die gefährliche Situation überschatten, die im Zuge der Machtübernahme verschiedener islamistischer Milizen entsteht. Auch regionale Mächte wie die Türkei oder Israel versuchen nun mehr denn je, von dieser Chaoslage zu profitieren. Die Lage ist unübersichtlich und nicht ausserhalb der Machtinteressen verschiedener staatlicher und nicht-staatlicher Akteure zu verstehen, die dort seit Beginn des Bürgerkriegs 2011 operieren.» Deshalb ordnet das Cenî die Geschehnisse in ein Dossier ein (Stand 10.12.24): https://ceni-frauen.org/erklaerungen/dossier-einordnung-der-entwicklungen-in-syrien/
Das Cenî analysiert es sehr zutreffend: Der Sturz Assads ist eine grossartige Nachricht, aber gleichzeitig gibt es viele Gründe zur Sorge, da Rojava bzw. die ganze autonome Region Nordostsyrien akut bedroht ist. Deshalb ist jetzt einmal mehr unsere Solidarität dringend notwendig. Genauso wie 2014, als die YPG und YPJ die Stadt Kobanê gegen den IS verteidigt haben und eine riesige Welle der Solidarität weltweit sie unterstützt hat.
Heute, 10 Jahre nach der Schlacht um Kobane, wissen wir um ein Jahrzehnt der Solidarität, geprägt von Austausch und gegenseitiger Unterstützung, um ein Jahrzehnt, an dessen Ende der Kampf der Kurd:innen für eine freie Gesellschaft zu den historischen Kämpfen unserer Zeit gehört, ein Kampf, der weltweit Schule macht und Vorbild ist. (Siehe auch den Aufruf zur Demo vom 1.11.24: Aufruf)
Um die aktuelle Situation zu verstehen, müssen wir auch den historischen Kontext und die verschiedenen Akteur:innen verstehen. Genau das wollen wir bei Veranstaltung morgen machen: «Ein kurdischer Blick auf die Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Nahen Ostens».
Angesichts der neusten Entwicklungen verschiebt sich der Fokus der Veranstaltung. Nichtsdestotroz bleiben wir bei einem politisch-historischen Blick auf den Nahen Osten: Die Gegenwart und Zukunft lässt sich nicht losgelöst von der Geschichte der Region verstehen. Diese ist geprägt von einem kolonialistischen Erbe, das seit Beginn des 20. Jahrhunderts künstliche Staatsgrenzen zog, Völker spaltete und ihrer Rechte beraubte. Eines jener Völker sind die Kurd:innen. Seit Jahrzehnten kämpft die kurdische Freiheitsbewegung gegen Unterdrückung und für gesellschaftliche Gleichberechtigung, wie sie in Rojava oder den freien kurdischen Bergen sichtbar wird. Trotz widriger Bedingungen bleibt die Bewegung prinzipientreu und flexibel zugleich. Am 14.12. laden wir einen Genossen des Kurdischen Nationalkongress (KNK) ein, um über die Interessen und Handlungen der Grossmächte – wie die Türkei, die USA, Russland, Israel oder der Iran – zu sprechen, über den Charakter der verschiedenen Kräfte vor Ort und über gemeinsame Perspektiven der Befreiung und des Kampfes.
Samstag, 14. Dezember, 19 Uhr, im Volkshaus Zürich (Stauffacherstrasse 60, 8004 Zürich)
Ebenfalls morgen Samstag findet eine Demo in Bern statt: Rojava verteidigen – Smash Turkish Fascism
Die Ereignisse in Syrien überschlagen sich. Der Diktator Bashar al-Assad hat innert kürzester Zeit sein Imperium verloren und das Land verlassen. Seine Armee hat die wichtigsten Orte Syriens kampflos den dschihadistitschen Rebellen unter Führung der Hayat Tahrir al-Sham (HTS) überlassen. Diese Situation spielt einem anderen Diktator in die Hände – Recep Tayyip Erdoğan scheint der grosse Gewinner zu sein. Er finanziert und organisiert zahlreiche der Gruppierungen in Syrien, die insbesondere die kurdischen Kräfte als Feinde sehen. Die Revolution von Rojava hat im Norden von Syrien für viele Menschen erstmalig Freiheit und Gleichheit gebracht. Das selbstverwaltete Rojava wurde mit 10’000en von Menschenleben gegen den IS verteidigt. Rojava, das revolutionäre Projekt mit einer Strahlkraft weit über die Region hinaus, muss verteidigt werden. Aktuell droht die endgültige Invasion der Türkei. Dies gilt es zu verhindern! Verteidigen wir die Revolution von Rojava auch hier und greifen die Kriegsprofiteure an. Syrien kann nur mit einem Vorbild wie Rojava zu einer befreiten Gesellschaft werden. Statt Asylverfahren zu stoppen, sollte die offizielle Schweiz alle Verbindungen mit der Türkei kappen. Rojava verteidigen – Dem Krieg kein ruhiges Hinterland!
Demo | Sa. 14.12.25 | Bern | 15 Uhr | Bahnhofplatz
Ein paar Lese- und Hörempfehlungen:
– Interview mit Salih Müslim, PYD (8.12.24): Wir wollen keine Feindschaft, sondern eine Lösung https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/-44539
– Diskussionsveranstaltung (auf Englisch und Kurdisch) mit der Frauenorganisation Kongra Star (12.12.24): Rojava under pressure: womens’s revolution as a beacon of hope in uncertain times https://www.youtube.com/watch?v=MQYGQcPxAR8
– Podcast von medico international Deutschland zur Lage in Syrien (4.12.24): https://www.medico.de/quo-vadis-syrien-19874
– Exklusiv-Interview mit Murat Karayılan, Kommandeur der Volksverteidigungseinheiten (HPG): Kobanê: Eine Stadt, die die Menschenwürde verteidigt, https://riseup4rojava.org/wp-content/uploads/2024/11/Kobane_Interview-Murat-Karayilan_GER_compressed.pdf
Zum Schluss nochmals der Aufruf: Zeigen wir unsere Solidarität! Es gibt viele Möglichkeiten, hier ein paar Ideen: https://rojavaagenda.noblogs.org/was-tun/ (diese Seite wurde 2019 gemacht, ist also nicht mehr ganz aktuell, bzw. gibt es seither viele neue Beispiele – aber inspirieren kann sie nach wie vor…)
Mit solidarischen und kämpferischen Grüssen
Rojava Komitee Zürich