Hintergründe zum Hungerstreik

Leyla Güven ist am 7. November 2018 im Gefängnis von Amed (Diyarbakir) einen unbefristeten Hungerstreik gestartet. Inzwischen haben sich viele Menschen in und ausserhalb der türkischen Gefängnisse daran angeschlossen. So sind am 1. März 7000 politischen Gefangene in den Hungerstreik getreten.

Am 7. November 2018 begann die Abgeordnete der HDP (Demokratische Partei der Völker) und Ko-Vorsitzende des zivilgesellschaftlichen Zusammenschlusses DTK (Demokratischer Kongress der Völker), Leyla Güven, im Gefängnis von Amed (Diyarbakir) einen unbefristeten Hungerstreik. Die 54-jährige Politikerin fordert die Aufhebung der Isolation Abdullah Öcalans auf der Gefängnisinsel Imrali. Am 25. Januar 2019 wurde Leyla Güven aus dem Gefängnis entlassen. Sie setzt ihren Hungerstreik seither in ihrer Wohnung in Amed fort.

Leyla Güven hat eine Protestbewegung initiiert, der sich tausende Menschen angeschlossen haben. Da es in der Türkei keinerlei Raum mehr für offene politische Artikulation gibt, bleibt den politischen Aktivistinnen und Aktivisten nur noch der Versuch, durch einen unbefristeten Hungerstreik die internationale Öffentlichkeit wach zu rütteln und Druck auf die türkische Regierung aufzubauen, damit sie ihre eigenen Gesetze und internationalen rechtlichen Normen umsetzt.

Internationale Solidarität jetzt!
Solidarität ist dringend notwendig. Oder in den Worten von Sebahat Tuncel, die inhaftierte DBP-Vorsitzende, die sich Mitte Januar dem Hungerstreik angeschlossen hat: „Unsere Aktion und der Aufbau von Solidarität sind sowohl für den Frauenbefreiungskampf als auch für eine demokratische und freiheitliche Zukunft der Menschen in der Türkei von kritischer Bedeutung. Wer gegen das bestehende System in der Türkei ist, wer Demokratie einen Raum geben will, wer Rechte und Freiheiten entsprechend der Würde des Menschen einfordert, muss sich solidarisch zeigen und gegen den Faschismus kämpfen. Niemand ist wirklich frei, solange ein einziger Mensch nicht frei ist.“ (https://anfdeutsch.com/frauen/sebahat-tuncel-den-entwicklungsprozess-bestimmt-der-widerstand-10346)

Factsheet zu den Hintergründe des Hungerstreiks
Wer verstehen möchte, warum diese Form des Widerstands gewählt wurde und was genau die Forderungen der Hungerstreikenden sind, kann das alles in dem Factsheet nachlesen, das das Öffentlichkeitsbüro Civaka Azad zusammengestellt hat: http://civaka-azad.org/wp-content/uploads/2019/03/Civaka-Azad-Factsheet-Hungerstreik-1.pdf. Darin befinden sich auch Vorschläge, wie man sich solidarisch zeigen kann.
Es gibt ausserdem eine mehrsprachige Webseite zum Hungerstreik, die laufend aktualisiert wird: http://hungerstrikes.eu.

Stellungnahme zu den Selbsttötungen als Widerstandsform
Die Hungerstreikende führen ihren Kampf im Gefängnis und ausserhalb fort – die gesundheitliche Folgen werden immer spürbarer und auch die Repression in der Türkei nimmt weiter zu: Kein Tag ohne Meldungen von Verhaftungen, sei es bei Solidaritätskundgebungen mit den Hungerstreikenden, bei Trauerfeiern oder bei Wahlkampfveranstaltungen. In den letzten Tagen haben sich mehrere politischen Gefangenen in türkischen Knäste das Leben genommen, um den Forderungen des Hungerstreiks nachdruckt zu verleihen: Zülküf Gezen, Ayten Beçet, Zehra Sağlam und Medya Çinar. Zudem erlag der kurdische Aktivist Uğur Şakar den Folgen seiner Selbstverbrennungsaktion in Deutschland.
Leyla Güven appellierte sofort zu einem Ende der Selbstopferungsaktionen – gleichzeitig fordert sie mehr Unterstützung um den Kampf fürs Leben zu stärken: „Freundinnen und Freunde, wir müssen unsere Kräfte vereinen und den Hungerstreik überall auf der Welt Gehör verschaffen, um Ergebnisse zu erreichen. Das ist unser Ziel. Aus diesem Grund habe ich bisher mit hoher Moral und Begeisterung an meiner Aktion festgehalten. Doch wichtiger ist es, die Moral unserer Freund*innen in den Gefängnissen zu steigern. Wir benötigen diese Kraft. Aus diesem Grund strenge auch ich mich an; um zu leben, unser gemeinsames Leben fortsetzen zu können, und die Isolation zu durchbrechen. Lasst uns diesen Tag alle zusammen feiern. Dafür achte ich auf mich selbst und auf mein Leben. Von euch erwarte ich keine Selbstopferungsaktionen, sondern die Stärkung der Hungerstreikbewegung. Solche Aktionen rauben meine Kraft. Ganz gleich, was ich auch tue, zerreiße ich emotional. Auf meinen Schultern macht sich eine schwere Last breit. Auf diese Weise kann ich meinen Weg nicht fortsetzen. Ich wünsche mir, dass meine Freundinnen und Freunde den meinen Weg einschlagen und unsere Aktion zum Erfolg führen.“ (Vollständige Botschaft auf Kurdisch und Übersetzung auf Deutsch: https://anfdeutsch.com/aktuelles/leyla-gueven-fordert-ende-der-selbsttoetungen-10342).
Inzwischen haben sowohl die Gefängnis-Koordination der Partei der freien Frauen Kurdistans (PAJK) wie auch Duran Kalkan, Mitglied im PKK-Exekutivkomitee, zu einem Ende der Selbsttötungen aufgerufen: https://anfdeutsch.com/aktuelles/pajk-fordert-ende-der-selbsttoetungen-von-gefangenen-10358 und https://anfdeutsch.com/hintergrund/kalkan-nicht-gegen-uns-selbst-gegen-den-faschismus-10368.